Hängepartie im Ehrenhof

Zur Neupräsentation des Museum Kunstpalast. Kuratorium läßt Beat Wismer zappeln. Sitzung ins Sommerloch verschoben

Das Museum Kunstpalast ist ein unentschiedener Klon, hervorgegangen aus einem städtischen Kunstmuseum und einem abgerissenen Kunstpalast. Zwischen Museum und Palast wäre die Kunst beinahe auf der Strecke geblieben. Zusammengehalten wird die zweiflügelige Hofanlage durch eine gemeinsame monumentale Backsteinfassade aus den Zwanziger Jahren. Doch täuscht der äußere Eindruck. Denn der Museumsflügel lahmte seit Jahr und Tag und hing zuletzt nur noch schlapp am Körper einer PPP-Stiftung, die zwar mit „Blockbustern” im 1998-2001 neu errichteten Palastflügel (Achitekt: O.M. Ungers) für Furore sorgen, mit zäher Museumsarbeit allerdings nicht viel zu schaffen haben wollte.

Jetzt kommt es nach zweijähriger Schließung des Museumsflügels (Wilhelm Kreis) und überfälliger Sanierungsarbeiten zur erstaunlichen Kunstbefreiung.
Zur Wiedereröffnung und Neupräsentation der Schausammlungen fand man den schönen Titel: „Kunst befreit”. Das ist mindestens doppeldeutig. Meint es doch, dass die Kunstwerke aus den Depots „befreit” wurden, um sich endlich wieder im schönsten Museumslicht zeigen zu können. Und meint zugleich, dass die hier versammelte Kunst die hoffentlich vielen Besucher erstaunen und befreien kann. Wer auch immer im arg gebeutelten Doppelflügelhaus auf diesen Leitspruch kam, er sei beglückwünscht. Und mit ihm das MKP. Die Neupräsentation der Sammlungen sollte auch ein Befreiungsschlag aus dem Ungemach und den Unentschiedenheiten der letzten Jahre sein. Das Haus traut sich mit der Stärkung des Museumsflügels endlich auch die Großschreibweise des eigenen Namens zu.

Urahn des heutigen Museum Kunstpalast ist die Gemäldegalerie des einzigen Düsseldorfer Kurfürsten Johann Wilhelm (1658-1716). Zuletzt wurde sie mit zwei Ausstellungen in Düsseldorf (2008) und in der Alten Pinakothek in München (2009), wohin sie verbracht wurde, gefeiert. Das Wenige, was aus diesen glänzenden Tagen der Kunststadt Düsseldorf gerettet werden konnte, bildet nun den Grundstock der Sammlung und den Auftakt der Neupräsentation. In der „Rubensgalerie” hängen zusammen mit den beiden Prunkstücken, „Venus und Adonis”, und einer „Himmelfahrt Mariaes”, die 1679 bzw. 1711 nach Düsseldorf gekommen sind, Relikte dieser barocken Zeit.

Nach dem Abzug der über 1000 Werke umfassenden kurfürstlichen Gemäldegalerie 1805 saß der Schock über diesen Verlust tief. Heute setzt sich das Museum aus fünf disparaten Sammlungen zusammen. Auf jetzt 5.500 qm Ausstellungsfläche gelingt es dem Kuratorenteam, stets ermutigt durch den Generaldirektor Beat Wismer, einen spannenden und aufschlussreichen Parcours durch tausend Jahre Kunstgeschichte. „Facettenreich” ist das Stichwort, das man in Düsseldorf gerne nennt. Von den mehr als 100.000 Gemälden, Skulpturen, Environments, Zeichnungen, Grafiken, Fotografien, Kunstgewerbeobjekten, Glasobjekten können nur etwa 450 Werke, darunter einige spektakuläre Neuerwerbungen, gezeigt werden. Daß hier kein weiteres Gemischtwarenmuseum entstanden ist, sondern ein Haus der Zusammenhänge ist bemerkenswert und verdienstvoll. Künstlergruppen und -Schulen werden sichtbar, allen voran natürlich die Düsseldorfer Malerschule, aber auch der Wiederaufstieg Düsseldorfs zur Kunstzentrale West nach 1945 kann durch Künstlerräume wie Zero, „Cream Cheese”, Joseph Beuys, Nam June Paik, sowie (durch die Sparkassenstiftung neuerworben) Thomas Schütte und Manuel Graf schlaglichtartig beleuchtet werden. Kay Heymer, der neue Leiter der Abeilung Moderne Kunst, will diese für Düsseldorf ungemein reiche Zeit verstärkt reflektieren. In dem 650 qm großen Raum (wo er jetzt Farbfeldmalerei vorstellt) will er künftig ein Mal im Jahr eine “Neupräsentation” zeigen, die sich den Düsseldorfer Helden, Richter, Polke und Co. widmet.

Die Neupräsentation der Sammlungsbestände wurde von der Metro und der UBS gefördert, aber nicht von der E.ON AG, die zwar weiterhin eine Million Euro zum Betrieb des MKP zuschießt, sich aber weiterhin nicht für den Museumsbetrieb verantwortlich zeigt. Die E.ON ist im Ehrenhof offenbar auf dem Rückzug, ein neuer Hauptsponsor wird schon seit längerer Zeit gesucht. Ob es daran liegt, dass es zu einer üblen Hängepartie um die Vertragsverlängerung des Generaldirektors gekommen ist? Wismers Einsatz für das Museum hätte man ohne großes Getöse vor der Wiedereröffnung mit einer Vertragsverlängerung (um 7 Jahre) würdigen können. Doch den Zeitpunkt ließ man verstreichen. Jetzt wurde die für Ende Mai angesetzte Kuratoriumssitzung auf den 13. Juli verschoben – mitten ins Sommerloch. Düsseldorfs Oberbügermeister Dirk Elbers (CDU) ist Vorsitzender des 14 köpfigen Kuratoriums, sein Stellvertreter ist Johannes Teyssen, ein nicht als besonders kunstsinnig geltender Vorstandsvorsitzender der E.ON AG. Die beiden sollten sich über den künftigen Kurs des Klons bald einigen. Ihr Zögern bringt nach den Verwerfungen aller Neu- und Erweiterungspläne, weitere unnötige Unruhe ins Haus. Es scheint auch um einen Richtungsstreit zwischen der Stadt und dem Noch-Hauptsponsor zu gehen.

Von seitens der Stadt sollte es auch darum gehen, wie man sich künftig eine bessere Arbeitsteilung unter den Ausstellungshäusern der Stadt vorstellt. Da ist in den vergangenen Jahren viel falsch gelaufen. Auch die Quadriennale steht zur Disposition. Zuletzt wurde daraus ein Stadttourismus-Event.

Mit El Greco soll im kommenden Frühjahr endlich wieder ein Ausstellungs-Highlight in den Ehrenhof einziehen. Die Begegnung der Moderne mit dem spanischen Meister soll hier mit bedeutenden internationalen Leihgaben endlich sichtbar gemacht werden. Sein besonderer Einfluss auf den deutschen Expressionismus steht dabei im Fokus des Interesses. Besonders die ehemals bedeutende Expressionistensammlung des Hauses musste durch die Nazi-Kampagne „Entartete Kunst” schwere Verluste hinnehmen.

Fruchtkorb mit Fragezeichen. Ein Fall von Raubkunst in der Neupräsentation des Museum Kunstpalast

„Sofort abhängen und an die rechtmäßigen Eigentümer aushändigen” fordert Tilo Siewer. Auch sonst holt der Berliner Rechtsanwalt den Hammer aus der Schreibtischschublade. „Zynisch präsentierte Raubkunst aus jüdischem Eigentum”, lautete etwa die fettgedruckte Überschrift einer „Eilmeldung”, die Siewer munter an die Presse verschickt.

Will da einer die Öffentlichkeit alarmieren, um für seine Mandanten eine möglichst hohe Entschädigung herauszuholen? Oder will Siewer die glänzende Neupräsentation der Sammlung des Museum Kunstpalast in Düsseldorf nutzen, um öffentlich auf einen Fall von Raubkunst aufmerksam zu machen, der weiterhin ungeklärt ist?

Es geht um den „Fruchtkorb mit Kürbis, Melone und Pfirsichen an einer Eiche”, (um 1670), ein Stilleben des deutsch-niederländischen Altmeisters Abraham Mignon (1640-1679). Das Gemälde gehörte einst Gertrude Bühler. Sie und ihre Familie wurden als Juden von den Nationalsozialisten verfolgt. Um ihr Überleben und die Auswanderung zu finanzieren, wurden auch sie 1935 gezwungen, ihre Wohnungseinrichtung und die Kunstwerke zu versteigern. „Das Düsseldorfer Museum brachte den `Fruchtkorb´ über einen Mittelsmann noch im selben Jahr 1935 in seinen Besitz”, will Siewer herausgefunden haben.
Erst vor zwei Jahren erfuhr die Familie, dass sich das Gemälde im Museum Kunstpalast befindet und bat gemäß dem Washingtoner Abkommen von 1998 um Rückgabe.

So muß es als unvorsichtig angesehen werden, wenn das MKP zur Wiedereröffnung stolz auch Mignons „Fruchtkorb” an den frisch gestrichenen Museumswänden präsentiert. Die heikle Angelegenheit könnte die ganze Neupräsentation vermiesen. Das Hinweisschild besagt zwar „Provenienz Gertrude Bühler, verw. Traube, zwangsversteigert 1935, entschädigt im Vergleichswege durch das Land Berlin 1962″. Siewert jedoch zeigt sich empört. „Offensichtlich will das Museum der Öffentlichkeit suggerieren, die Erben der Gertrude Bühler seien mit dieser Veröffentlichung einverstanden. Das ist aber nicht der Fall”. Es gibt keinen Vergleich mit der Stadt Düsseldorf. Nicht einmal zur Prüfung von Persönlichkeitsrechten bestand Gelegenheit, klagt der Anwalt.

In Düsseldorf lehnt man es bislang auch ab, die eigens für die Rückgabe von Kunst aus der Nazizeit eingerichtete Beratende Kommission, unter Vorsitz von Jutta Limbach, die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, um eine Klärung zu bitten.

Der Schritt an die Presse und die markigen Worte zeugen auch von der Hilflosigkeit Siewerts. In einen Prozess gegen die Stadt Düsseldorf will er sich keinesfalls hineinziehen lassen. Den dürften die Erben Bühler nach der allgemeinen Rechtsprechung auch glatt verlieren. Das Washingtoner Abkommen ist eine Empfehlung der Unterzeichnerstaaten. Deutsche Gerichte folgen ihr bisher nicht. Bleibt der öffentliche Druck.

In Düsseldorf kümmert sich Kulturdezernent Hans-Georg Lohe persönlich um den Fall. Der Verwaltungsjurist hat den renommierten Berliner Rechtsanwalt Prof. Ludwig von Pufendorf eingeschaltet, um den Fall für die Stadt Düsseldorf zu klären. Der jedoch beruft sich auf eine allgemeine Abfindung durch das Entschädigungsamt Berlin aus dem Jahr 1962. Damals sei das Gemälde zusammen mit dem vor der Flucht versteigerten Hausrat bereits entschädigt worden. Es wurden pauschal 2000 Mark gezahlt. Nach dem Washingtoner Abkommens stehen Altentschädigungen einer Rückgabe allerdings nicht entgegen. Zur Vermeidung von Doppelentschädigungen sind lediglich bereits geleistete Zahlungen zurückzuzahlen. Dazu ist die Familie bereit. Gertrude Bühler starb mit 55 Jahren kurz nach Kriegsende. Siewer vertritt nun ihre 86-jährige Tochter und die Enkel. Das Stilleben wurde 1962 mit lediglich 600 Mark veranschlagt.
Lohe verlässt sich auf seinen Berliner Anwalt und will „erstmal abwarten”. Er verweist darauf, dass endlich auch in Düsseldorf eine Stelle zur Aufarbeitung derartiger Fälle von Raubkunst eingerichtet worden ist. Da in der Nazizeit (1933 – 1945) zahlreiche Kunstwerke unrechtmäßig den Besitzer wechselten, haben Bund und Länder in Magdeburg die Koordinationsstelle für Kulturgutverluste eingerichtet. Sie betreibt Provenienzforschung und berät bei Rückgabeverhandlungen. Derzeit prüft sie die Bestände der Kunstsammlung NRW und des Museums Kunstpalast.
„Wir sträuben uns nicht gegen die Rückgabe von Kunst. 2005 ging ein Bild von Dirck Hals an die Erben zurück. Vor kurzem haben wir Arnold Böcklins ´Schlafende Diana´ aus dem Nachlass der jüdischen Bankiersfamilie Behrens im Zuge eines Wiedergutmachungsverfahrens für die Düsseldorfer Gemäldegalerie angekauft,” räumt der Düsseldorfer Kulturdezernent auf Nachfrage ein.

Im neuen Museumsführer verweist das Museum Kunstpalast auch auf die „barbarischen Museumssäuberungsaktionen” der Nazis 1937. Nur zwei Jahre nachdem Mignons Stilleben ins Haus kam, gingen bedeutende Werke der Sammlung verloren. Kirchners ´Badende´ und Max Ernsts `Belle Jardiniere` gelten bis heute als verschollen und sind aller Wahrscheinlichkeit nach zerstört. Walter Cohen, der erste Leiter der der Gemäldegalerie wurde 1933 aus dem Dienst relegiert und 1942 im KZ Dachau ermordet.

C. F. Schröer

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