Im Gegenzug

Mit dem Museum Morsbroich steht das Kunstland NRW zur Disposition

Die Aufregung ist groß, die Empörung wächst, bundesweit hagelt es Proteste, offene Briefe, Mahnschreiben. Selbst Gerhard Richter zeigt sich entrüstet: „Eine öffentliche Sammlung ist keine Geldanlage, die je nach Kassenlage geplündert werden kann“.

RItuelle Entrüstung? Tatsächlich wäre die Schließung des Museum Morsbroich in Leverkusen ein Präzedenzfall. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik steht ein Kunstmuseum in öffentlicher Trägerschaft vor der Schließung, der Auflösung seiner kompletten Sammlung an moderner und zeitgenössischer Kunst dazu. Was das über Leverkusen hinaus für Nordrhein-Westfalen, für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet, ist kaum abzusehen.

War gestern noch Museumsboom

droht jetzt sein krachendes Ende. Ein Nimbus wäre gebrochen, die inneren Verfasstheit des Landes verletzt. Denn das neu geschaffene Bundesland Nordrhein-Westfalen hat sich von Beginn an mit der Gegenwartskunst verbunden und neuen Elan und lange entbehrten Glanz aus ihr bezogen. Das Museum in Leverkusen am Industriestandort am rechten Rheinufer symbolisierte mit seiner Gründung 1957 eben jenen nach dem 2. Weltkrieg neu beleben „Westdeutschen Impuls“, der der Kunst im Industrieland eine wesentliche Rolle zukommen ließ. Diese Balance wird nun gleich von zwei Seiten her ausgehebelt. Weil die Landesregierung der schleichenden Deindustrialisierung nichts entgegen zu setzten weiß, versiegen die Geldquellen und das erste, woran nun gespart wird, sind die Kunstmuseum. Und was, wenn der Fall nicht zum abschreckenden Beispiel würde, sondern Schule machte? Notleidende Kommunen gibt es im Land, zumal in NRW, schließlich scharenweise. Die Museen in Mühlheim an der Ruhr und Bochum standen schon auf der Schließungsliste. Dem NRW-Forum in Düsseldorf wurden komplett die Landesmittel gekürzt und in Bonn steht das Frauenmuseum vor der Schließung. 

Ein Stärkungspakt?

Ende 2011 legte die rot-grüne Landesregierung den „Stärkungspakt“ auf. Den hoch verschuldeten Städten und Gemeinden soll damit durch NRW-Landesmittel aufgeholfen werden. „Im Gegenzug“, so die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), „muss die Empfängergemeinde einen klaren Sparkurs einschlagen.“ Der kommunale Haushalt der klammen Gemeinde muss mit dem Zuschuß aus dem Stärkungspakt in den nächsten Jahren eine Schwarze Null ausweisen. Und weiter: Bis spätestens zum Jahr 2021 muß der Haushaltsausgleich „dann aus eigener Kraft erreicht werden.“ Der Stärkungspakt als Bärendienst? Auch Leverkusen trat notgedrungen diesem Stärkungspakt bei. Aber wo sparen? Noch mehr sparen?

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Rekordumsatz und satte Gewinne bei der Bayer AG, Dauerpleite bei der Stadt. Ein Museum Morsbroich gibt es in Leverkusen nur, weil die kräftig sprudelnde Gewerbesteuer einst viele Vergnügen möglich machte. Doch nun zahlen selbst  größte Unternehmen kaum noch Steuern. Steuerreform und Stärkungspakt lauten daher die beiden euphemistisch benannten Zwingschrauben, zwischen denen das Museum platt gedrückt wird.

Wo immer Politiker sich um die Entscheidung drücken, wo es zu unpopulären Kürzungen kommen soll, bestellen sie ein Gutachten. An dieser Stelle wurde die KPMG zwischengeschaltet (ein international tätiger Riese unter den Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs-, Unternehmens- und Managementberatungen mit Sitz in Zug Hauptzentrale in Amstelveen). Die Kölner Kollegen von KPMG machten sich also an die Arbeit. Ihr Auftrag und Kürzungsziel: Jährlich 1,1 Millionen Euro. Weil nun dieser Betrag in etwa der Summe entspricht, die Stadt Leverkusen ihrer KulturStadtLev (die Betriebsgesellschaft der sieben Kultureinrichtungen der Stadt Leverkusen) für die Jahre 2015 bis 2018 bereits gestrichen hatte, geriet die KulturStadtLev abermals ins Visier. Was soll nach 2018 werden?

Museum dicht, Sammlung in alle Winde?  

Die KPMGler taten, was ihre Auftraggeber erwarten durften. Ihr keineswegs überraschendes Fazit: Das seit 1951 in einem abseits gelegenen, spätbarocken Jadgtschloß untergebrachte Museum Morsbroich soll ab 2019 gänzlich schließen. Die Sammlung soll an andere Museen leihweise verteilt werden, da man die Depotkosten in einem Aufwasch sparen will. Mit  Schließung und Auslagerung könnten so rund 780.000 Euro pro Jahr gespart werden. Die Kölner KPMG- Leute monieren den „großen Zuschussbedarf“. Die Stadtbibliothek „erwirtschaftetet“ nur 10,3 Prozent, das Museum 11,6 Prozent der Kosten. Bei durchschnittlich 18,8 zahlenden Besuchern pro Öffnungstag, rechnen sie vor, liege der Zuschussbedarf pro verkaufter Eintrittskarte bei 181,72 Euro. Aber nirgends erkennen die Prüfer „ein Potenzial zur Erhöhung der Einnahmen“. Und weiter: Da in der näheren Umgebung das Angebot an zeitgenössischen Museen von hoher Qualität groß sei, bliebe die „Umsetzung des kulturellen Bildungsauftrages im Museum Morsbroich bis zu einem gewissen Grad abstrakt.“ Wurde noch unlängst die hohe Museumsdichte im NRW-Land von der Regierung als Stärke gefeiert, nutzen die von ihr bestellten Gutachter nun die zu hohe Museumsdichte als ein Argument für ihre Ausdünnung.

Die Zahlen besagen nichts über eingeworbene Drittmittel, Sponsoren, Stifter, nichts über Besucherzahlen an sich, nichts über Kinder, Rentner, Behinderte oder Besucher an den Eröffnungstagen bei freiem Eintritt. Nur der zahlende Besucher zählt. Im Zuge der Haushaltskonsolidierung hat die Stadt Leverkusen ihrem Museum schon 2011 den Ausstellungsetat (für die Jahre ab 2015) glatt halbiert. Wie soll aber ein Museum für Besucher attraktiver werden, wenn die Mittel für Ausstellungen drastisch gekürzt werden? So kommt es auch zu dem eklatanten Mißverhältnis, wonach den verbliebene 50.000 Euro pro Jahr für wechselnde Ausstellungen, rund 800.000 Euro an Personalksoten gegenüber stehen.

Was nichts einbringt, gehört abgeschafft 

Weil irgendwann (?) mit einem „Investitionsbedarf zur Schaffung neuer Depoträume“ zu rechnen sei, schlägt man gleich die Auflösung und Zerstreuung der Museumsbestände vor. Weil neue Depoträume „zur Fortführung der Ausstellungstätigkeit auf dem bisherigen qualitativen Niveau und zur Umsetzung der Ziele des Museumsbetriebs perspektivisch unumgänglich sein wird“, so die verquere Logik der Wirtschaftsprüfer, empfehlen sie, „sämtliche Aktivitäten des Museums einzustellen und die Sammlung in ihrer bestehenden Form aufzulösen.“ Die Konsequenz dieser eiskalten KPGM-Logik: Was nichts einbringt, gehört abgeschafft. Doch so einfach, dürfte die Chose nicht den Rhein runterfließen. Was wäre zum Beispiel, wenn sich alle Museen aus Solidarität mit Morsbroich weigerten, auch nur einen Bilderrahmen aus Leverkusener Beständen zu übernehmen? Vor allem aber kommt der Vorschlag aus Köln zur Unzeit auf den Tisch. Nach dem neuen Gesetz zum Kulturgutschutz, das aktuell dem Deutschen Bundestag zur Entscheidung vorliegt, wird Museumsbesitz generell unter Schutz gestellt. Wie will man da in Leverkusen gleich das gesamte Depot loswerden?    

Protest der Museeumsdirektoren  

Die Direktoren von rund 20 Museen in Nordrhein-Westfalen haben sich in einem gemeinsamen Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Kulturministerin Christina Kampmann und den Leverkusener Oberbürgermeister Uwe Richrath (alle SPD) gewandt und gegen die drohende Schließung des Museums Morsbroich protestiert. “Diesen kulturellen Kosmos zu zerstören, käme einem Kahlschlag gleich, der verheerende Wirkungen (…) für die Museen im ganzen Land hätte”, heißt es in dem offenen Brief. Die neue Kulturministerin Kampmann aber eilt in dieser bedrohlichen Situation keineswegs ins Museum nach Leverkusen. Sie tritt lieber im Duisburger Museum Küppersmühle auf, einem privat getragenen Museum für Moderne Kunst (dessen Direktor den Brandbrief  unterschrieben hat), um dortselbst am 17. März eine Markus Lüpertz Ausstellung zu eröffnen. Titel der Schau „Kunst, die im Wege steht“.

Auch Hannelore Kraft, selten genug in Museen zu Gast, trat hier schon auf. Sie muß sich entschieden, ob ihr Stärkungspakt zu einem Hebel zum Abbau der öffentlichen Museen im Lande verkommt.

C.F.S.

Ratlos. Leverkusens OB Uwe Richrath,
Kämmerer Frank Stein, Kulturdezernent
Marc Adomat und Biggi Hürtgen von der „KulturStadtLev“. (v.l.)

Schöne Bescherung

Ausstellung im Museum Morsbroich

Seit den frühen 1960er Jahre kannten sie sich so gut, dass sie „nicht mehr miteinander pokern konnten“. Für ihre Gemeinschaftsausstellung in der Galerie h (h für Hannover) im März 1966 gestalteten die Studenten der Düsseldorfer Kunstakademie ein Collage-Heft, das Zitate aus Groschenheften mit eigenen Texte und Fotografien verband – mit viel Freude am „Quatsch machen“ (Richter). Aus diesem längst vergriffenen Heft stammt das berühmte Badewannenbild.

Die Ausstellung „Schöne Bescherung“ präsentiert aus Anlaß der 50 Jahre zurückliegenden Galerieausstellung einige Trouvaillen aus dem Werk Sigmar Polkes, die den „subversiven Geist“ jener Jahre atmen. In einem Künstlerbuch sind Funde aus der Kölner Presse in Wort und Bild weitergesponnen, ein Comicheft der Reihe „Diabolik“ hat Polke komplett umgearbeitet, so dass der italienische Gentleman-Gangster sich dort nun auf Deutsch zu aktuellen Tagesthemen äußert.

Eine Auswahl von Werken Gerhard Richters aus der museumseigenen Sammlung wird den Künstlerbüchern beigesellt. Zahlreiche Drucke aus den Jahren 1965–1974 konnten früh für das Museum Morsbroich erworben werden, ebenso wie Richters 1965 entstandene Fotoverwischung Tiger, dem heute mit Abstand wertvollsten Bild des Museums. Zur Ausstellung erhält es einen nagelneuen Rahmen.

Die Selbstironie, mit der sich die Jungstars den Anfängen eines Künstlerkults begegnen, spricht aus den „5 Phasen“ eines Offsetdrucks Umwandlung (1968): Mit vereinten heroischen Kräften lösen die Beiden ein Bergmassiv auf und überführen es in eine sphärische Kugel.

Kurator der Ausstellung ist Fritz Emslander

Eröffnung der Ausstellung: Sonntag, 13. März, 12 Uhr, im Spiegelsaal von Museum Morsbroich 

In der Ausstellung „Aufschlussreiche Räume“ stellt hat Claus Richter den exquisiten Salon eines Vogelsammlers vor.

Wir zeigen das Filmportrait über und mit Claus Richter hier: Im Regen lässt es sich leben!

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Donnerwetter! Da bekommen die beiden größten Museen der rheinischen Kunstmetropole – jedes für sich kann über einen Etat von reichlich zehn Millionen Euro verfügen –

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