Risikokunst

Absage ans K21. Christoph Büchel sagt seine Großausstellung ab

„Jammerschade“, seufzt Susanne Meyer-Büser. Ihr Lieblingsprojekt ist gerade gestorben. Seit 2009 ist sie Kuratorin für moderne und zeitgenössische Kunst an der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und speziell mit dem Langzeitprojekt “Intensif-Station. Künstlerräume“ im K21 betraut. Ganz so intensiv hatte sie sich die Zusammenarbeit mit dem Extrem-Künstler Christoph Büchel (*1966 in Basel) dann doch nicht vorgestellt.

Seine für Anfang September geplante Ausstellung in der K21-Depandence mußte kurzfristig abgesagt werden. „In beiderseitigem Einvernehmen“, wie Meyer-Büser betont. Jetzt ist „Krisenbewältigung“ angesagt, in welcher Form, weiß die Kuratorin noch nicht. Denn Büchel will auf keinen Fall, daß seine Idee publik wird. Er könnte sie ja andernorts doch noch zum Einsatz bringen. Was aber keine Drohung sein soll.

Meyer-Büser kennt den für seine provokanten, verwirrend politischen Großinstallationen bekannten Künstler seit 17 oder 18 Jahren. Bereits dreimal, in München (Haus der Kunst), Hannover (Sprengel Museum) und Düsseldorf betreute sie Installationen von Büchel und doch scheiterte nach zwei Jahren der Vorbereitung das ambitionierte, „speziell auf den Ort Düsseldorf ausgerichtete Projekt“ auf der Zielgeraden.

Der Knackpunkt? Meyer-Büser wird einsilbig, der Künstler bestehe auf Verschwiegenheit. Atelierbesuche, Interviews, Gespräche lehnt er sowieso ab, Fotos von ihm sind Mangelware. Soweit aber läßt sich die Kuratorin vernehmen: Da das K21 ein ehemaliges Parlamentsgebäude ist, das zum Ausstellungshaus umgebaut wurde, liegt die politische Stoßrichtung von Büchels Arbeit nah. Er wollte Menschen ins Haus holen und zum Bestandteil seiner Arbeit machen, die „vom Rand der Gesellschaft kommen.“  Außerdem sei ja bekannt, daß Büchels Arbeiten „auch unangenehm“ werden können. Andererseits sei das Projekt keineswegs an politischen Bedenken gescheitert. Vielmehr sei Büchel, wieder einmal, mit immer neuen Ideen gekommen, wollte einen REWE-Supermarkt im Untergeschoß einrichten und auch im umliegenden Park allerhand Buden und Baracken errichten und so weiter, bis Budget und Nerven am Ende, man die Reisleine gezogen habe. Büchel selbst habe die fast fertig megalomanische Installation „dann nicht mehr als sein Projekt“ gesehen und kurzerhand die Eröffnung abgesagt. Konsequent immerhin.

Auch das noch

Als herrsche im stolzen Haus durch die andauernde Nachfolgesuche und die damit einhergehende Unsicherheit über die eigene Zukunft nicht genug Unruhe, kommt die Absage einer zentralen Ausstellung in diesem Frühherbst zur Unzeit. Es ist die erste Absage überhaupt in der Geschichte des Hauses. Büchel hin, Büchel her, es hapert und mangelt an manchen Belangen in der Kunstsammlung. Vor allem ist ihr die Perspektive abhanden gekommen. Angesichts ihrer makellosen Karriere mag Meyer-Büser über die Absage des „ausufernden Projekts“ sogar einige Erleichterung verspüren. So verweist sie etwa auf den Fall des MassMoCa. Im Jahr 2007 endet ein ähnliches Großausstellungsunternehmen mit Büchel in einem Rechtstreit. Der schweizer Künstler verklagte das Massachusetts Museum of Contemporary Art (MassMoCa) in North Adamse nachdem seine Ausstellung dort abgesagt worden war.

Zeitweilig hatten dort bis zu 50 Leute an der Installation „Training Ground for Democracy” gearbeitete. Das Team des MassMoCA schaffte Schiffscontainer, ein altes Kettenkarussell, ein zweistöckiges Wohnhaus, diverse Fahrzeuge und ein Wohnmobil heran. Sie bauten ein komplettes Kino ab und im Museum wieder auf. Als Büchel zum Weihnachtsfest abreiste, hinterließ er eine Liste mit weiteren Dingen, die zu beschaffen und erledigen waren. Das Museum gab erschöpft auf. Zu diesem Zeitpunkt war das geplante Budget von 160 000 Dollar  nahezu um das Doppelte überschritten. Soweit wollte man es in Düsseldorf dann doch 00nicht kommen lassen. Doch auch in Düsseldorf wurde viel Geld in den Büchel gesetzt. Wieviel? Schweigen im Walde. Das K21 steht nun da, verwaister denn je. 

Doch stellt sich hier die Frage, ob private Kunst-Einrichtungen inzwischen besser mit derart kritischen Positionen der Gegenwartskunst umgehen können als öffentliche Häuser?

Im Sommer 2011 verwandelte Christoph Büchel die Galerie Hauser&Wirth in Piccadilly/London, die ihn seit Jahren exklusiv vertritt, in eine Sozialstation. Rentner strömten in die noblen Galerieräume, waren zu Fechtstunden und Tanz-Tee eingeladen. Büchels Ausstellung war eine provokante Antwort auf das Programm der regierenden Tories einer „Big Society“.

Doch Susanne Meyer-Büser will das nicht hinnehmen. „Risiko mit zeitgenössischen Künstlern will ich auch in Zukunft immer wieder eingehen.“ Vielleicht demnächst mit Büchels Schweizer Kollegen Thomas Hirschhorn, „der ist als Mensch etwas einfacher.“

Findungsgunst

Inzwischen ist auch bekannt, wie die Findungskommission zusammengesetzt ist, die die Nachfolge von Marion Ackermann bestellen soll. Wer und mit welcher Perspektive die Kunstsammlung NRW mit ihren drei über die Stadt verteilten Spielstätten leiten soll, ist nach wie vor offen. Ackermann verläßt bereits Ende Oktober  nach nur fünf Jahren die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf.

Die Leitung der achtköpfigen Findungskommission hat NRW Staatsekretär Bernd Neuendorf vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport übernommen. In die streng geheim tagende Runde hat er u.a. Isabel Pfeiffer-Poensgen (Kulturstiftung der Länder, Berlin), Bernhard Maaz (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München), Christoph Becker (Leiter des Kunsthauses Zürich), Rorbert Rademacher (Unternehmer und Vorstand der Freunde der Kunstsammlung NRW), sowie Andreas Gursky (Fotokünstler, Düsseldorf) eingeladen.

Zumindest was die Benennung von Andreas Gursky betrifft, ist die Wahl alles andere als glücklich. Bekanntlich liess sich Gursky auch in die Findungskommission des Museum Kunstpalast in Düsseldorf berufen, wo es um die Nachfolge von Beat Wismer geht.

Natürlich läßt die Zusammensetzung einer Jury Rückschlüsse auf deren Votum zu. So wäre es keine Überraschung mehr, wenn Susanne Gaensheimer, seit Januar 2009 Direktorin des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt am Main, nach Düsseldorf wechselte. 

La Düsseldorf wird Electri_City

„Mein erstes Projekt nannte sich Piss Off, das war 1967“, erinnert sich Eberhard Kranemann, studierter Kontrabassist und streitbarer Verweigerer jeglicher musikalischer Normen (No Musik). Der Experimentalband Piss

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