Eine Gastrokritik

Es gibt Geschichten, die haben einfach alles: schnelle Autos, schöne Frauen, supercoole Jungs, Immobilien in Bestlage, jede Menge teure Kunst, das ganz große Rad. Am Rande taucht ein russischer Investor auf und noch einer aus London. Die Kunstsammlung ist plötzlich verschwunden und ein ganz neuer Teppich wird ausgerollt. Eine Modelagentur spielt mit und ein traditionsreicher Künstlerverein. Alles dreht sich um den Sproß einer italienischen Eisdiele, den Ex-Rennfahrer namens Robertino Wild. – Ein Gemisch wie aus besten James Bond Tagen. Oder ist es eher eine Episode aus Fassbinders Lola? Der Cocktail wird jetzt im neuen Lido im Malkasten serviert.

„Ein neues Kapitel“ will der Malkasten in Düsseldorf mit seinem neuen Restaurant aufschlagen. Nach fast zweijähriger Umbauphase konnte das „Lido im Malkasten“, zu dem auch eine gutbestückte Bar, sowie eine herrliche Terrasse zum historischen Jacobi-Garten zählen, nach mehreren Baustopps nun tatsächlich groß Eröffnung feiern. Max Mayer wollte die neue Location schon gleich für seine Hochzeit buchen. Knüller und Trumpf des Lido ist die Raumgestaltung durch Rosemarie Trockel.

Die Kölner Künstlerin (geb. 1952), kein Mitglied im Künstlerverein Malkasten, hat nicht etwa nur den Entwurf zum beeindruckenden, 400 Quadratmeter großen Teppichboden geliefert (der in Spanien gewebt wurde), sondern das gesamte ausgeklügelte Farbkonzept der Räumlichkeiten, bis hin zu den Farben der Thonet-Freischwinger (Sonderanfertigung) und der Tische bestimmt. Dazu hat die langjährige Professorin der Kunstakademie Düsseldorf eine gut zwanzig Meter lange Wand mit ca. 60 Bildern, Plakaten, Postern und Schrifttafeln alle hinter Glas bestückt. Das alles hinterlässt einen starken, großartigen Eindruck. Es ist ein „Gesamtkunstwerk“, wie Jens Nothelle, Marketingleiter und Sprecher der Lido-Groupe hervorhebt.

Womit wir beim gastronomischen Part wären. Neuer Pächter des Restaurants im Malkasten ist Robertino Wild, dem neben der Lido- noch die Capricorn-Group (beide mit Sitz auf der Speditionsstraße im Düsseldorfer Hafen) gehören. Capricorn bezieht sich auf das Sternzeichen, unter dem Wild 1964 in Italien/Südtirol geboren wurde: „Der Steinbock ist einsam, lebt allein in großer Höhe und muss lange Winter durchstehen“, schätzt Wild. Hai in Bezug auf die vielen Immobiliengeschäfte im Düsseldorfer Hafen wäre auch nicht schlecht.    

Weder er noch sein Sprecher Nothelle sprechen gerne über Zahlen. So wird nicht verraten, wie teuer das Trockel-„Gesamtkunstwerk“ kam, weder wie hoch die Produktionskosten, noch das Honorar lagen. Auch über die Höhe der monatlichen Pacht nur Stillschweigen. Gibt es eine Bürgschaft?  

Zur Tradition des Künstlervereins-Malkasten (gegr. 1848) gehört der Ärger mit den wechselnden Pächtern. Warum aus über einhundert Mitbewerbern bei der Neuvergabe des Restaurants im Malkasten ausgerechnet Robertino Wild der Vorzug gegeben wurde, darüber gibt es anhaltend viele Fragen. Wild betreibt zwar, wenn man den Kennern hier glauben darf, zwei keineswegs florierende Gourmet-Gaststätten im Düsseldorfer Hafen, ist ansonsten aber weit eher im Motorrennsport der Oberklasse engagiert. Mit Wild zieht ein Mann in das traditionsreiche Haus ein, der just als es zum Vertragsabschluß kam (zehn Jahre Laufzeit mit Verlängerungsoption) über Monate bundesweit in den Schlagzeilen stand. Wild trat als Käufer des Nürburgring auf und versprach „eine große Zukunft“ (Kaufpreis 77 Millionen Euro), hatte aber Schwierigkeiten bei ersten Ratenzahlungen und mit Klagen von Mitbewerbern. Am Ende mußte Wild seine Anteile am Ring an einen russischen Investor verkaufen und zog sich mit seiner Firma Capricorn (u.a. ein Autoteile-Hersteller „besonders für das Sportwagen- und High-Luxury-Segment.“) aus dem verlustreichen Skandal-Projekt zurück.

Der hochverschuldete Künstlerverein Malkasten wiederum ist auf die Pacht angewiesen und wird sich also zweimal überlegt haben, an wen er sich da bindet. Der Langzeit-Vorsitzende Robert Hartmann bestätigt, man habe warnende Hinweise erhalten, sei ihnen nachgegangen und habe die wirtschaftliche Situation des neuen Pächters „sehr kritisch geprüft“.

Schon vor dem Umbau war es ausgerechnet wegen Wilds Kunstsammlung zu Razzien und Hausdurchsuchungen (Kreditbetrugsverdacht) gekommen. Das anhängige Gerichtsurteil (Landgericht Düsseldorf) entschied gegen Wild auf Zahlung einer Summe von über einer Million Euro an den Kläger, die Pirol Stiftung, hinter der Burkhard von Schenk vermutet werden darf. Auf dessen Kosten soll Wild seine umfangreiche Kunstsammlung erworben haben, die der zahlungskräftige Investor mit Wohnsitz in London, der auch Oldtimer und Sportwagen sammelt und ins Filmgeschäft investiert, nun zurückverlangt. Da der Düsseldorfer Kunstsammler Wild (über seinen Anwalt) aber gegenüber dem Gericht angab, über den Verbleib seiner Sammlung nichts zu wissen, wurde er zur Zahlung des Gegenwerts verurteilt. Gegen das Urteil hat Wild inzwischen Einspruch eingelegt. Auch über das „Medienhaus“ im Düsseldorfer Hafen war es zum Streit mit von Schenk gekommen. Wild mußte die Immobilie schließlich an die Pirol-Stiftung (die von Schenk gegründet hat) überschreiben. Weitere Verfahren sind stehen an.

Auch Wilds weitverzweigte Engagements im Düsseldorfer Hafen, die er über seine Firma Carpricorn developements (auch diese in der Speditionsstraße ansässig) steuert, sind nicht nur von Erfolg gekrönt. Auf der Landzunge mit der Kesselstraße mußte Wild vor zwei Jahren aufgeben, ein weiteres Projekt in Aachen ebenso. Ursprünglich hatte er auf dem Areal eine Niederlassung seiner Capricorn-Group geplant. Nach dem Desaster beim Nürburgring ließ er für zwei städtische Grundstücke von 1000 und 6000 Quadratmetern die Kaufoptionen verstreichen. Auch ein drittes Grundstück an der Holzstraße von 5000 Quadratmetern hat Capricorn-Chef Wild inzwischen weitgehend an die Immofinanz aus Wien verkauft. Sein bislang größtes Projekt, die Casa Stupenda (heute Float), von Renzo Piano entworfen, wird mit rund 30.000 qm Bürofläche Mitte 2018 bezugsfertig sein. Auf der Webseite von Capricorn developements stößt man auch auf Wilds Wohnhaus am vornehmen Kaiser-Wilhelm-Ring.   

An den Kontakt zu Rosemarie Trockel, die als scheu und vorsichtig gilt, wird Wild über seine Lebensgefährtin Eva Gödel gekommen sein. Gödel betrieb erst in Köln, dann in Düsseldorf, heute wieder in Köln die 2010 gegründete Model-Agentur Tomorrow is Another Day (zuvor mit Kira Bunse Nine Daughters and a Stereo) und in Wuppertal die Werbeagentur chewing the sun, sammelt selbst (u.a. Jan De Cock, Lucy McKenzie, Friedrich Kunath). Gödel kennt Trockel seit gut 15 Jahren und ist überhaupt bestens in der Kunstwelt vernetzt („Kunst beeinflußt mich mehr als alles andere.“).

Eva Gödel wird Wild auch beim Aufbau seiner Kunstsammlung beraten haben, die er auch schon mehrfach als Sicherung für Kredite angeboten hat. Im seinem Haus in Düsseldorf Oberkassel geht die Kunstszene ein und aus. Was aus seiner Sammlung wird, steht in den Sternen. In seinem neuen Restaurant im Malkasten hängt nun viel vom Trockel-Teppich ab. Hier will Wild „Weltküche“ anbieten – zu Weltstadtpreisen.

Eine Zahl läßt sich Nothelle am Ende doch entlocken. Alle im Lido-Malkasten angebotenen Weine, es sind 40, können auch glasweise bestellt werden, eine Besonderheit. Das Glas Rosé beispielsweise, Chateau d´Esclans, kostet da 20 Euro.

© 2022 All rights reserved