Spinne im Netz

“A very exclusive, but not closed circle”: Bettina Böhm bringt outset zu neuen Höhenflügen

Als ich Betty Böhm endlich erreiche, ist sie gerade beim Einchecken, Flughafen Tegel. Ich bin froh, daß sie überhaupt drangeht bei ihrer Flugdichte. Heute geht es nach München zu einem privaten Dinner eines ihrer „Patrons“. Nach der Landung will sie sich gleich melden. Zeit, die Direktorin von outset Germany/Switzerland kurz vorzustellen.

Na klar, ihre derzeitige Company heißt outset (nicht jetset, nicht outlet) Contemporary Art Fund, hört sich cool und kosmopolitisch an. Denn schließlich scharen sich die Globalisierungsgewinner weltweit um die contemporary art. Aber was ist ein Art Fund? Die Idee läßt sich auf John Ruskin zurückführen, der 1857 die Wohlhabenden der “great society” dazu aufrief, Kunstwerke für öffentliche Sammlungen zu retten und zu bewahren. Das britische Beispiel macht auch hierzulande Schule. Wo sich die öffentlichen Hände den hohen Kunstmarktpreisen verschließen, kommen private Geldanlagefonds zum Zuge.    

Nach Banklehre und ersten Berufserfahrungen im familieneigenen Betrieb nahm Bettina Böhm aber dann doch ein Studium der Kunstgeschichte an der Universität Düsseldorf auf. Sodann arbeitete sie als externe Beraterin für die Nobelgalerie Setareh in Düsseldorf und für die Sammlung Olbricht in Essen. Seit Ende 2015 übernahm sie die deutsche Ausgabe von outset, was schlicht Anfang heißt. Den Namen hätte sie nicht gewählt, wird sie später gestehen, „weil da ein out vorne steht.“ Aber noch ist sie nicht wieder gelandet. Für die Frieze in London und New York ist Bettina Böhm seit kurzem als VIP Consultant engagiert und wohl noch mehr in der Luft. Outset wurde 2003 als gemeinnützige Organisation zur Förderung zeitgenössischer Kunst von Candida Gertler (Kunstberaterin, vormals Artprojx, vormals Spiegel TV) und Yana Peel (jetzt Chefin der Serpentine Galleries) in London gegründet und hat mittlerweile neun „Chapters“, also Niederlassungen, so in Schottland, Estland, Indien, Israel, den Niederlanden, Griechenland und seit diesem Jahr auch in der Schweiz. Daß die in St. Petersburg geborenen Yana Peel, eine der Gründerinnen von outset, 2016 Direktorin eines der renommiertesten öffentlichen Ausstellungshäuser Londons werden konnte (neben dem künstlerischen Leiter Hans-Ulrich Obrist), zeigt die ligation an: fundraising und artraising are two sides of the coin.

Outset nennt sich „die weltweit einzige unabhängige philanthropische Organisation, die zeitgenössische Kunst fördert“. Da wird man leicht stutzig. Was heißt schon unabhängig, wenn man andauernd dem Geld schwerreicher Leuten hinterher fliegt? Viele Organisationen verstehen sich als „Brücke zwischen privatem Mäzenatentum und öffentlichen Kulturinstitutionen, Museen sowie Künstlern“. Sämtlich Geldmittel, verspricht outset auf der Webseite (Pardon website), kommen von privaten Förderern und Firmen und gehen zu „einhundert Prozent“ an „die Projekte“. Wer zahlt die Büromiete, die Gehälter, die Flüge? Mit den Einnahmen werden Kunstwerke gekauft, Ausstellungen gefördert und Künstlerstipendien (Artist Residencies) ausgelobt. Bisweilen sind es dieselben Künstler, die ein Werk in eine outset-Auktion geben, die dann in den Genuß der Förderung kommen. Aber was wird da eigentlich gefördert? Mehr als 8,5 Millionen Euro konnten meist durch Benefiz-Auktionen eingenommen, mehr als 160 Künstler und 80 Institutionen weltweit unterstützt werden. Kein Wunder, die Museen stehen Schlange und die Schlange wird länger, je kürzer die öffentlichen Ankaufsetats ausfallen.

Zum Beispiele die Tate Modern: Mit dem “Outset Frieze Tate Fund” kam outset überhaupt erst groß raus. Auf der Frieze in London versammelte man die dort ohnehin anwesenden Kunstsammler und motivierte sie, Geld für die britische Staatsgalerie locker zu machen. Der lockere, internationale Freundeskreis, eine undefinierbare Mischung aus Kunstclub und Museumskommitee, hat über den Tate Fund an die einhundert Kunstwerke der Sammlung beigefügt. Kein Wunder, daß Chris Dercon (Tate-Direktor zwischen 2011 und 2016) ein treuer Freund von outset geworden ist.

Aus Artprojx und Tate Fund wuchs outset, das inzwischen weltweit vernetzt ist und insgesamt gut acht Millionen Euro in den Kunstkreislauf einfließen liess. Patron kann werden, wer mindestens 5000 Pfund pro Jahr zahlt. Alles philanthorpisch, barmherzig, selbstlos? Um was es geht, wenn viel Geld im Spiel ist, weiß noch der philantropischste Patron: Um Ehre und Einfluß, um Eitelkeit zuletzt auch. Auf der Webseite von outset liesst sich das so: “We give strategic advice, we broker new relationships, we build communities of interest, we expand public audiences, we create circles of trust.” Outset sagt es: Wir sind eine Interessengemeinschaft, ein Ehrenzirkel, vielleicht auch eine Börse zum Austausch von Abhängigkeiten auf Gegenseitigkeit. Doch in wessen Interesse handelt outset? Und wer bestimmt dort die Richtung, den Lauf des Geldes? Das sagt uns die Webseite nicht. 

Inzwischen ist Bettina Böhm gelandet, sie meldet sich aus dem Taxi, schon auf dem Weg zum Dinner des Münchner Unternehmers, der wie sie verrät, zu ihren „Trustees“ zählt. Die Webseite nennt die Namen: Jan Fischer und Ramin Salsali, beides Großinvestoren und langjährige Kunstsammler. Ramin Salsali gründete erst 2011 das Salsali Private Museum (SPM) in Dubai.

Was sie heute Abend trägt? – „Zufällig das gleiche flaschengrüne Kleid von Valentino, das ich schon auf der sagenhaften Party auf der Baustelle des anderen Trustees in Berlin-Mitte im Frühjahr 2016 anhatte.“ Damals wurde Bettina Böhms Amtseinführung groß gefeiert. Chris Dercon war Stargast und hielt einen Begrüßungstoast. Zum ärmellosen Kleid trägt sie an diesem Abend schwarze Booties mit High Heels versteht sich, Ohrringe von Georg Hornemann, versteht sich auch, vierblättrige Kleeblätter mit einem Diamanten in der Mitte. Apart.

Apropos Düsseldorf. Outset wird bereits ab der ersten Ausgabe mit der neuen Art Düsseldorf kooperieren und einen Ankaufsetat zur Verfügung stellen. Für wen? Welches Museum in den Genuß des Funds kommt, will Böhm keineswegs verraten. Ein Expertengremium soll über den Ankauf und die Platzierung entscheiden.

Was Bettina Böhm ihre „Projekte“ nennt, funktioniert in etwa so: Sie und ihr Team (Büro in der Berliner Auguststraße 69, im Hof der Kunstwerke) treiben Werke von Künstlern auf und unterstützen mit dem Verkaufserlös (meist via Benefizauktion) Ausstellungsprojekte „auf hohem Niveau“. Zielgröße für 2017 rund eine Million Euro. Mit 50.000 Euro unterstützte sie beispielsweise Anne Imhofs Auftritt im Deutschen Pavillon von Venedig und für Mika Rottenbergs Asia-Shop bei den Skulptur Projekte Münster haben gleich fünf Chapters zusammengelegt und wollen die Arbeit der argentinischen Künstlerin an ein noch nicht benanntes Museum geben.

Aber warum sollten Künstler oder deren Galerien überhaupt Kunstwerke stiften, die sie doch eigentlich verkaufen wollen? Die Antwort liegt im Netz. Um sich überhaupt im Gespräch zu halten, ist Netztwerkerei mehr denn je zur Überlebensfrage geworden. Und wer verstünde sich besser auf networking als die Frauen von outset!

Im Fall Imhof geht das so: Im Gegenzug für die Förderung stiftet Imhof ein Werk aus „Faust“, dem mit dem Goldenen Löwen prämierten Beitrag der diesjährigen Biennale. Udo Kittelmann von der Nationalgalerie Berlin, dem öffentliches Geld fehlt, wird das Werk dankenswerterweise in seine Sammlung aufnehmen. Über die „Schenkung“ wird ein Vertrag geschlossen, in dem sich das beschenkte Museum verpflichtet, das Werk dann in der Schausammlung zu platzieren. Auf dem Schildchen daneben wird dann groß der Name outset stehen.

Apropos Gegenzug. Udo Kittelmann, gebürtiger Düsseldorfer, wird die outset Gäste zur nächsten Live-Auction (29. Sept.) in der Sammlung Philara in Düsseldorf-Flingern begrüßen. Kein Geringerer als Henry Highley vom Auktionshaus Phillips wird dort den Hammer schwingen und das eingeladenen Publikum zu Bietgefechten ermuntern. Nicht immer ist klar, wer die Kunstwerke eingeliefert hat. Bettina Böhm ist seit Monaten dabei, dieses “Event“ akribisch vorzubereiten. 53 Lose – die Liste reicht von Tony Cragg, Julian Charriére, Gregor Hildebrandt, über Berta Fischer zu Leiko Ikemura, Thomas Grünfeld, Jonathan Meese, Wolfgang Tillmanns zu den Düsseldorfern Andreas Schmitten und Wim Wenders – hat sie von Künstlern und ihren Galerien, auch von Partons „an Land gezogen“. Die „Festival Sculpture“ von Heening Fehr und Philipp Rühr hat sie aus ihrer eigenen Sammlung und der Galerie Max Mayer beigesteuert.

Zu den Sponsoren des Abends gehören neben Phillips auch die Privatbank Berlin, die Art Düsseldorf und Gil Bronner, der auf einen Teil der Raummiete großzügig verzichtet. Er und seine Frau Anat sind seit Jahren Patrons. Überhaupt die Sponsoren. Ihre geldlichen Werbegeschenke müssen für Gehälter, Büromiete, die Kataloge und die Ausgestaltung der Events ausreichen. Dazu die beliebten outset-Reisen. Also doppelte Aquise für Böhm. An diesem Abend geht auch die erst outset-Online Auction zu Ende, Partner ist hier ARTSY (Silent/Onlince Auction). Zu den Geldgebern dieser marktbeherrschende Verkaufsplattform (das Amazon der Kunst) zählen Kunstmarktriesen wie Larry Gagosian und Dasha Zhukova, aber auch Silicon-Valley-Figuren wie Google-Gründer Eric Schmidt und PayPal-Mitgründer Peter Thiel.

Mindestens 780.000 Euro soll die Philara-Auktion einbringen. Auch kein Pappenstiel. Im Vorfeld hat sie 1000 Einladungen verschickt, aber nur 300 Gäste werden Platz finden. Keine Panik, Bettina Böhm ist eine der versiertesten Gastgeberinnen weithin. „Hauptsache, es kommen die Richtigen.” Wer? – “Na die, die auch was ersteigern.”

„Reiche Menschen nach Geld fragen, macht Spass“, gesteht Böhm ganz ungeniert. Charity-Lady? – Eher Spinne im Netz. Die ehrenamtlich tätige Kunstvermittlerin nennt das Geheimnis ihres Erfolgs: „Der Schlüssel ist, daß man mit gutem Beispiel vorangeht. Ich helfe einfach gerne.“ Jetzt aber los auf die Party. Zum Abschied ruft sie noch ins Telefon: „Man bekommt da so viel zurück.“ Und: „Kommen sie doch zur Auction!“

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