Dreierlei Nigiri

Was der Fusion-Küche im zweigleisig gelingt. Eine Gastrokritik

Fusion heißt das Zauberwort. Klingt verführerisch und irgendwie fluffy. Jedenfalls viel besser als das grasgrüne „Multikulti“ oder das plattdeutsche Mischmasch. Was bliebe auch sonst bei der drohenden Globalisierung und praktizierten Vielfliegerei? Wir kommen uns näher, es wird immer enger auf unserem Globus. Fusion lautet die Losung und ist sozusagen alternativlos.

Kein Wunder also, daß im zweigleisig Fusion aus der Küche kommt. Das zweigleisig ist sozusagen der kulinarische Kopfbahnhof von Düsseldorfs neustem Stadtviertel auf dem ehemaligen Güterbahnhof. Es befindet sich in einem schnöden Bürohaus oben auf der Franklinbrücke, hoch über den Gleisen und Neubaublocks unten und natürlich ganz weit vorne mit seinem „Konzept“. Nun feiert das zweigleisig seinen 1. Geburtstag und hat zum Presselunch eingeladen. Niemand sagt hier „Mahlzeit“, stattdessen gibt es „Food Experience mit Twist“, der wird hier als kulinarische Verbindung zwischen Asien und Europa getanzt: Lachs Sashimi mit Wafu-Vinaigrette, California Rolls mit Tandori Chicken, Jogurt und Karotten-Ingwersalat zur „Runde 1“, das unvergleichliche Garnelenpopcorn mit Wasabiaioli und Chilimayo, oder Teriyaki Lachs mit Rotkohl-Ingwersalat (in Runde 2), saisongerecht, gegrillter Spargel mit Ingwerstroh und sweet Misosuce, oder Sous Vide gegarter Tafelspitz von Holzkohlegrill (Runde3). Matcha Panna Cotta mit Passionsfruchtschaum und Crumble oder der unvergleichlich trendige Brownie, hier mit Peanutbutter und Karamelsauce in Runde 4. Spätestens dann geht selbst der tuffeste Testschmecker K.O.

Schon beim Lesen der (hier nur auszugsweise wiedergegebenen) Speisefolge läuft dem Gast fusionsgleich das Wasser im Mund zusammen. Edelste Weine, ausnahmsweise unfusioniert, werden überdies gereicht. Das mit zweigleisig meinen die beiden Gründer Rainer Gith und Sven Aschebrock ernst. Der eine Jurist und start-up Unternehmensberater, der andere Gastronom, haben die Geschäftsführung gemeinsam übernommen. Auch die Küche selbst fährt zweigleisig, auf dem japanischen Holzkohlerill vorne im Restaurant und der eigentlichen Küche hinten. Das Duo von der Franklinbrücke meint es mit Fusion ernst, in ihrem Restaurant lebt eine ungezwungen rheinische, leidenschaftlich vertiefte Version davon. Der japanische Holzkohlegriff wurde aus London beschafft, der Grillmeister ist hier ein Türke. Ein Pakistani, der als Grillputzer begann, ist inzwischen zum Küchenchef aufgestiegen, das Gastro-Girl Kelly Lam, stammt aus China, spricht wahlweise astrein deutsch, während es das Txogitxu Rib-Eye „Japones“ serviert. Die Kunst an den rohen Betonwänden ist, dem genius loci geschuldet, von Tizer, einem der angesagten street-art Künstler aus London. Nur hatte Tizer leider nicht seinen besten Tag oder Auftragsarbeiten sindeinfach nicht sein Ding. Seine beiden Wandsprays oben wie unten in der geräumigen Lounge im Basement sind bunt und grell, muskelprotziger Asiakitsch.

Das zweigleisig überzeugt. Am Abend war der Laden brummvoll, trotz Fußball (Bayern München gegen Real Madrid). Zweigleisig ist schon im ersten Jahr zum shooting-star am Düsseldorfer Gastro-Himmel geworden und strahlt weit darüber hinaus.

Apropos Fusion: Fusion könnte für Weltoffenheit stehen. Weltoffenheit, Aufklärung, Bildung hatten bedeutet, jeden Menschen zu achten, unabhängig von seiner Hautfarbe, seinem Geschlecht, seinem Glauben oder seinem Atheismus. An die Stelle dieser Weltoffenheit tritt nun eine „Idenitätspolitik“, die uns glauben machen will, die „Kulturen“ seien von unüberwindlichen Differenzen geprägt. Vor die Wahl gestellt, solchem Stammesdenken zu folgen, in der weder der Einzelne noch die Vernunft etwas verloren haben, oder einer unitentitären Fusion zu folgen, gehe ich lieber ins zweigleisig.

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