„Unter aller Sau“

Kasper König, der „beste Kenner der Kunstwelt“ über sein NRW

Der Kasper und die Queen. Was der eine vermisst, zeigt die andere immer gerne: große Gesten

Neuerdings, wenn Der Spiegel erscheint, lassen die in der NRW Staatskanzlei die Rollos runter. Grund für die Verfinsterung ist der neue NRW-Regionalteil, der seit Mitte Februar „acht zusätzliche Seiten für die Leser an Rhein und Ruhr“ bringt und kräftig austeilt, daß sich die Regierung unter Hannelore Kraft (SPD) schon fragt, wie sie die journalistische Sonderzuwendung wieder los werden könne. In dieser Woche war es wieder soweit. Da durfte Kasper König, (1943 in Mettingen geboren) eine ganze Seite lang über seine Landesregierung herziehen. Königs Note: „Unter aller Sau“.

Die Kultur- und Finanzpolitik sei „voller Bedenken und Arroganz zugleich, und das Verhalten insbesondere von Finanzminister Norbert Walter Borjans macht Schule“, so der Westfale mit Wohnsitz in Berlin. Zwar habe er nichts dagegen, daß das Land zwei Warhols versteigert, „aber doch nicht, um mit dem Geld unter anderem eine neue Daddelbude, eine weitere blöde Spielhölle in Köln einzurichten, und das wiederum nur, um den Casinochef zufriedenzustellen, der früher mal Staatsbanker bei der Westdeutschen Landesbank war.“ König kennt das Westspiel gut. Vetternwirtschaft trifft auf Parteienpatronage: Der Ausverkauf der Westkunst geht weiter, erst die Warhols, dann die WDR Sammlung, dann die der aufgelösten West LB. Von 2000 bis 2012 führte König das Museum Ludwig in Köln zu einem ungeahnten Höhenflug, 2017 wird er in Münster die Skulptur-Projekte zum fünften Mal organisieren.

Als Ulrike Knöfel den weitgereisten König zur möglichen Schließung des Museum Morsbroich in Leverkusen fragt, entfährt es diesem: „Aber das ist schon symptomatisch. In diesem riesigen Ballungsraum wird klein gedacht, die große Geste fehlt“. Denkste.

In Düsseldorf wurde gerade die großartige Ausstellung der Henkel-Kunstsammlung eröffnet. Die Kunstsammlung NRW ist sich nicht zu schade, Gabriele Henkel den Hof zu überlassen. Und die kennt sich mit großen Gesten bestens aus. Erst 2010 stiftete die Witwe des gleichnamigen Waschmittelkonzerns aus ihrer Privatschatulle einen sechsstelligen Betrag, damit die Staatsgalerie endlich ihren Ausstellungsflügel bauen konnte, und nun wählte sie 40 Gemälde, „lauter Höhepunkte“, aus der gut 4000 Werke umfassenden Henkel-Kunstsammlung aus, die sie selbst über 46 Jahre aufgebaut hat. Keineswegs ließ sie es sich nehmen, die Schau auch selbst zu kuratieren. Da bleibt Marion Ackermann nur Staunen, neidvolle Anerkennung: „Sie handelt nach dem Prinzip von Fülle, Opulenz und Sinnlichkeit“. Was die Direktorin der NRW Kunstsammlung nun gar nicht vermag. Die NRW-Ministerpräsidentin zeigt an derlei Henkel-Tugenden kein Interesse und sieht dem Niedergang der Kunst im einstigen Kunstwunderland NRW zu. Gabriele Henkel indes, Langzeit Stilikone, und hellwache Zeitzeugin, erschien zur Vernissage ihrer Ausstellung im Rollstuhl, selbstverständlich als „Die weiße Dame“, ganz wie die legendäre Werbefigur von „Persil“ (erster Entwurf 1922 von Kurt Heiligenstaedt). So versteht es Gabriele Henkel nonchalant auf eine Tradition im Industrieland an Rhein und Ruhr hinzuweisen, die von Industrie und Kunst. Große Gesten wollen hart erarbeitet sein. Wo die Landesregierung der schleichenden Deindustriealisierung des Landes nichts entgegen zu setzen weiß, verliert sie auch den Bezug zur Kunst. Da helfen keine neuen Daddelbuden. Unter aller Sau, eben. 

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