Was waren das für bewegte Zeiten. Man kommt gar nicht umhin, sich staunend zu erinnern. Vor bald 50 Jahren machte ein junger Mann rüber, sprang völlig mittellos, aber kunstbegeistert in den letzten Zug von Prag in den Westen, bevor die Sovjets den Eisernen Vorhang für weitere Jahrzehnte dicht machten. Und landet im Auge eines anderen Wirbelsturms, bei dem Concept-Art Guru Harry Szeemann in der Schweizer Hauptstadt Bern. Concept-Kunst, On Kawara (1972), Piero Manzoni (1973), Hans-Peter Feldmann (1977) heißen folgerichtig die ersten Einträge in seiner 200 Posten langen Liste der kuratierten Ausstellungen. Von der Basis der Concept-Art hebt er bald zu ungeahnten Flügen und Ausflügen ins internationale Gefilde der Kunst ab.
Die jungen, hoffnungsvollen Künstler, die er, Zdenek Felix (1938 in Prag geboren), ausstellte, denen er oft erstmals eine Plattform, eine museale Bühne bot, sind heute samt und sonders Weltstars, bis auf die, die man vergessen hat. Das sind im Fall Felix verdammt wenige.
1976 als Felix, nach Stationen in Bern und Basel nach Essen an die „Galerie der Gegenwart“ des Folkwang Museum wechselt, kommt er gerade rechtzeitig, um den Generationenumbruch mit zu erleben und auch kräftig mit zu vollziehen. Der große Paul Wember aus Krefeld war gerade in den Ruhestand getreten, Charlie Ruhrberg hatte erst 1972 die Düsseldorfer Kunsthalle verlassen, Johannes Cladders wirkte noch im alten Museum an der Bismarckstraße in Möchengladbach, Peter Ludwig sammelte was das Zeug hielt, schenkte der Stadt Köln seine Pop-Art Sammlung, das Museum Ludwig wurde gegründet, Rolf Wedewer öffnete das Museums Schloss Morsbroich in Leverkusen den „Neuen Tendenzen“ mit Piero Manzoni, Lucio Fontana, ZERO, Op-Art und Analytischer Malerei und dann kam ein stiller, eher zurückhaltender Mann nach Essen und schlug andere Töne an. Feldmann, Katharina Sieverding, Per Kirkeby, Guiseppe Penone, Mario Merz, Jannis Kounellis (der 16. Februar 2017 in Rom verstarb), Michael Heizer, Videowochen Essen, Gerhard Richter, Anselm Kiefer – alles das in den ersten fünf Jahren.
Felix zeigte sich neugierig und beweglich, surfte eine Welle nach der nächsten in ruhigem Schwung, betont unideologisch, kein bißchen missionarisch, sogar, das kannte man im Westdeutschen Kunstbetrieb wahrlich nicht, charmant. Ehrgeizig, von ihrer Mission überzeugt, waren sie ja alle. Doch der redselige, dabei vornehm zurückhaltende Felix hielt seine Spürnase irgendwie anders in den Wind. Er verzapfte keine Theorien, verstieg sich nicht in komplexere Welterklärungsmodelle, entzog sich auch allen Lagern und Seilschaften. Trotz seines ausgeprägten Hangs zur Society blieb er auf dem Teppich, ein Pragmatiker unter den Großkuratoren. So bleib er wendig, aber auf höchstem Niveau, stieg allmählich auf vom Assistenten zum Abteilungsleiter, zum Kunstvereinsleiter (München 1986-1991), zum Direktor der neugegründeten Deichtorhallen Hamburg, wo zwölf Jahre lang mit kleinem Team großes Orchester spielte. Andy Warhol, Helmut Newton, Andreas Gursky, Keith Haring, Cindy Sherman, aber auch Louise Bourgeois, Ilya Kabakov, Martin Kippenberger, oder Andrea Zittel.
Nun nimmt Zdenek Felix Abschied mit einer Ausstellung, die er „Metamorphosis“ nennt. Wie auch besser? Felix sah die Kunst stets als eine sich wandelnde Größe. Seine Konstante und Richtschnur: „Qualität“. Von der bald niemand im Kunstlager mehr sagen konnte, um was es sich handelte. Immer mehr Künstler wurden eingeschleust, immer kürzer fiel entsprechend die Spanne der Aufmerksamkeit aus, die man den wechselnden Talenten zollte. Jene 15 minutes of fame (Warhol) scheinen heute schon üppig. Aber Felix hielt daran fest. Qualität war seine Meßlatte, sein Pegel. Was das wohl sei, wurde er oft gefragt. „Relevanz“ war seine Antwort. Beileibe nicht sein persönlicher Geschmack und auch nicht Zeitgeist. Doch, das, was heute Stellung bezieht, wo sich eine präzise Unruhe in Kunst ausdrückt und gezeigt werden muß. Etwas Besonderes und Bewegendes, auch Beunruhigendes an der Kunst, die sich ihm anbietet und aufdrängt. Er, der große Kurator ist dabei nur so etwas wie eine Membran, ein Medium vielleicht.
Die schöne Nymphe Daphne, verwandelt sich, den Nachstellungen des Gottes Apollo fliehend, in Lorbeer. So die vielleicht berühmteste Story aus Ovids Metamorphosen (geschrieben 1 oder 3 n. Chr. bis um 8 n. Chr.). Felix nennt seine eigenen Nachstellungen der fliehenden Größe Kunst mit seiner letzten Ausstellung Metamorphosis. Das meint Anpassung, auch Verwandlung, Veränderung, Umgestaltung, auch eine kontroverse, mehrere Stadien umfassende, schmerzhafte Entwicklung bestimmter Tiere, z.B. Frösche, Raupen, Heuschrecken. Im Prozess der Verwandlung erhält die anfängliche Gestalt eine völlig neue Identität, ein neues Niveau, einen verwandelten Aggregatszustand. In Ovids poetischer Fiktion ist es eine allumfassende kosmische Ordnung, Folge gegenseitiger Verflechtungen aller Lebewesen und Götter. Trostreiche Vorstellung. Kosmische Ordnung? – So viel Hoffnung ist heute eher selten. Diesem Wandel jedoch ist Felix über bald fünf Jahrzehnte lang gefolgt und es wurde ihm noch keine Minute langweilig dabei. Nun steht auch er abermals vor Verwandlung. Nach neun Jahren Aufbauarbeit im Kai 10 zieht er sich „ein wenig“ zurück, nach Berlin, wo er mit seiner Frau wohnt und will seine Memorien schreiben. Na, das kann was werden!
Seine Ausstellung mit fünf jungen, europäischen Künstlern Habima Fuchs (Tschechien), Thomas Helbig (Deutschland), Renaud Jerez (Frankreich), Kris Lemsalu (Estland) und Mary-Audrey Ramirez (Luxemburg) gleicht auf den ersten Blick einem Bestiarium, einem fantastischem Zoo. Doch erweisen sich die überaus abschreckenden, erstaunlich abstoßenden, alptraumartigen Getiere als durchaus drollige Bevölkerung einer Dystopie, die alle Härten der Comic-Hefte und Computerspiele irgendwie überlebt haben und nun, jeder für sich, ihr schaurig-schönes Ding drehen.
Metamorphosis
Eine Ausstellung an drei Standorten
Eröffnung 3. März KAI 10 Arthena Foundation, Düsseldorf (bis 27.Mai)
Galerie Baudach, Berlin 10.3. – 15.4.
Galerie SVIT, Prag 5.6. – 9.7.
Habima Fuchs (Tschechien), Thomas Helbig (Deutschland), Renaud Jerez (Frankreich), Kris Lemsalu (Estland), Mary-Audrey Ramirez (Luxemburg)
Kurator : Zdenek Felix